Lohntransparenz führt zu maximaler Lohnzufriedenheit

In der wirtschaftwissenschaftlichen Glücksforschung wird das Paradox, dass höhere Löhne nicht zu mehr Glück führen, nach einem einschlägigen Artikel von Richard A. Easterlin (1974) Easterlin Paradoxon genannt. Die unten stehende Grafik zeigt, was damit genauer gemeint ist:

Das Paradox wird in einem Artikel von Andrew Clark et al. (2008) über relatives Einkommen erklärt. Man kann Leuten eine einfache Frage stellen (Solnick und Hemenway, 1998): Angenommen, die Preise wären, wie sie heute sind und die Kaufkraft ist in beiden Situationen identisch. Was wäre Ihnen lieber:

  1. Sie verdienen 50’000 Franken, alle anderen im Durchschnitt 25’000.
  2. Sie verdienen 100’000 Franken, alle anderen im Durchschnitt 100’000.

Rund die Hälfte aller Befragten zieht es vor, weniger zu verdienen, aber sozial eine bessere Position einzunehmen.

Allgemein trägt zur Lohnzufriedenheit der relative Lohn zwei Drittel, der absolute ein Drittel bei.

Diese Resultate lassen mich folgern, dass Lohntransparenz für die Lohnzufriedenheit essentiell ist. Wie ist das zu verstehen? Vergleichen wir ein privatwirtschaftliches Unternehmen und den Staat als Arbeitgeber, so handelt ersteres die Löhne in der Regel mit den Mitarbeitenden individuell aus; beide Seiten schweigen sich in der Regel darüber aus, wie viel Lohn bezahlt wird. Der Staat hingegen legt fest, für welche Arbeit welche Löhne bezahlt werden – und publiziert diese Lohntabellen öffentlich.

Dadurch werden innerhalb von Staatsbetrieben alle relativen Fragen hinfällig: Es gibt Erklärungen dafür, warum ein anderer Mitarbeiter mehr verdient (meist wegen des Dienstalters). Natürlich vergleichen sich auch Staatsangestellte mit privatwirtschaftlich angestellten Personen – aber bei denen kommt der interne Vergleich hinzu, der zur Folge hat, dass für identische Arbeiten an gleich Qualifizierte unterschiedliche Löhne bezahlt werden.

Man kann generell sagen, dass »der Markt« in Bezug auf Löhne nicht spielt. Das hängt stark mit der mangelnden Transparenz zusammen. Die Gesetze des Marktes spielen auf einem Gemüsemarkt ideal, wo die Waren ausliegen und mit Preisen beschriftet sind. Man kann beim einen Stand kaufen oder beim anderen. Wenn Arbeitnehmer verschiedene Arbeitsverhältnisse aber nicht nach Lohn vergleichen können, gibt es in diesem Sinne keinen Markt.

Eine Art Antwort der Weltwoche

Roger Köppel schreibt im Editorial der morgigen Weltwoche (19. Januar 2012):

Grundsätzlich sind wir gegen politische Einmischungen in die Zeitungswirtschaft. Aber wir haben keine Bedenken, offenzulegen, was wir seit Amtsantritt wiederholen: Die Weltwoche ist im alleinigen Eigentum des Verlegers und Chefredaktors. Es gibt keine anonymen Geldgeber oder Einflussnehmer, wie die grossen Medienhäuser zu betonen nicht müde werden, um einen erfolgreichen Konkurrenten im Markt anzuschwärzen. Wir sind gerne bereit, die Karten auf den Tisch zu legen. Aber selbstverständlich nur, wenn die Lex Weltwoche für alle Zeitungs- und Medienunternehmen in der Schweiz gilt. Alle Zeitungen und Medien sollen ihre Aktionäre und Teilhaber outen, ihre Finanzierungen bekanntgeben, die Kreditbedingungen und Subventionen sowie, wo vorhanden, alle verbindlichen Abmachungen, die Einfluss haben auf die künftige Eigentümerstruktur. Wir sind überzeugt, dass da sehr aufschlussreiche Informationen ans Licht kämen.

Ich lese diesen Schlussabschnitt als Antwort auf meine erste Frage. Die Antwort hieße dann: Es gibt Karten, die man auf den Tisch legen könnte. Die Tatsache, dass die Weltwoche Roger Köppel gehört, ist nicht die ganze Wahrheit.

Die Forderung, dass die anderen zuerst die Karten auf den Tisch legen müssen, scheint für mich dagegen zu sprechen, dass Köppel (wen er mit »wir« meint, ist mir nicht ganz klar geworden) zur Transparenz »gern bereit« ist.

Er wiederholt damit ein ähnliches Spiel, wie das Helmut-Maria Glogger heute im Blick am Abend spielt: Der Tagi-Chefredaktor Res Strehle dürfe nur dann das Nettogehalt von Roger Köppel publizieren (Maurice Thiriet schreibt, es betrage über 400’000 Franken netto), wenn er gleichzeitig auch sein eigenes Gehalt offen lege. Damit müsste wohl auch Glogger selbst sein Gehalt publizieren – und ich meines:

https://twitter.com/#!/kohlenklau/status/149234633559650304

Es wäre doch ganz einfach: Mal mit gutem Beispiel vorangehen. Legen Sie doch die Karten auf den Tisch, Herr Köppel. Nur so setzen Sie die anderen unter Druck.

* * *

Mittlerweile ist es Donnerstag, deshalb muss ich hinzufügen, dass die heutige Weltwoche eine zweite Antwort enthält, und zwar in der Kolumne von Kurt W. Zimmermann. Zimmermann behandelt das Thema Besitzverhältnisse in den Medien konkret und abstrakt. Interessant in ist dabei, dass er ein anderes Gehalt nennt, als Thiriet im Tagesanzeiger:

Zuerst zum Konkreten. Als Roger Köppel 2006 die Weltwoche kaufte, musste er nach meinen Informationen gegenüber dem Verkäufer Tito Tettamanti eine fünfjährige Sperrfrist eingehen, während deren er nicht an Dritte ver- kaufen durfte. Dafür sicherte Tettamanti die Bankkredite ab, weil keine Bank einem Journalisten einfach so zwölf Millionen leiht. Seit 2007 hat Köppel jährlich zwischen ein und zwei Millionen Franken verdient und die Kredite zu gutem Teil zurückzahlen können. Levrat und Darbellay dürften enttäuscht sein: Das Blatt gehört heute seinem Herausgeber. Wenn er jetzt verkaufen würde, läge sein Profit bei etwa fünfzehn Millionen.

Nun zum Generellen. Hier haben für einmal die Populisten recht. Medien können nicht Transparenz bei Dritten verlangen, sich diesem Gebot aber in eigener Sache verweigern.
Medienhäuser müssen heute schon ihre «namhaften Beteiligungen» öffentlich machen, wobei als «namhaft» mehr als rund zehn Prozent des Aktienkapitals gelten. Dieselbe Regelung erscheint auch gegen innen sinnvoll. Ich würde ein Gesetz unterstützen, wonach Medienhäuser all ihre Aktionäre benennen müssen, die mehr als zehn Prozentihres Kapitals halten. Wünschenswert wäre auch Transparenz über Kredite, Aktienrechte und Bürgschaften. Aber das werden die Branchengrössen wie Tamedia, Ringier und NZZ nicht zulassen.
Medien müssen laut sein. Darum brauchen sie keine stillen Teilhaber.

Die Lohndebatte ist eröffnet – Wer verdient wie viel?

Die Berner Zeitung berichtet heute über das Lohnsystem beim Bund: »Wer beim Bund wie viel verdient«.

Das sieht dann so aus:

Dazu schreibt Mischa Aebi dann beispielsweise:

Wer beim Bund einfache Putzarbeiten erledigt, wird in der Lohnklasse 1 ein eingeteilt. Sie sieht ein Lohnmaximum von 4600 Franken vor. Dieses erreicht man beim Bund relativ schnell (siehe Kasten): 50 Prozent aller Bundesangestellten sind bei ihrem Lohnklassenmaximum angelangt.

Gegenüber einem Putzmann oder einer Putzfrau in der Privatwirtschaft ist das ein guter Lohn: Gemäss Gesamtarbeitsvertrag für Putzpersonal in der Privatwirtschaft liegt der Minimallohn für einen 48-jährigen ungelernten Raumpfleger mit mehr als sechs Dienstjahren bei gerade mal 3194 Franken – also über 1400 Franken tiefer. Man kann davon ausgehen, dass kaum ein privates Putzinstitut seine Mitarbeiter weit über dem Minimum des Gesamtarbeitsvertrages entlöhnt, sofern es sich nicht um eine höher qualifizierte Putzarbeit handelt.

Mit etwas Recherche findet man heraus: Beim Bund liegt der Anfangslohn bei 44’100 Franken pro Jahr, also bei 3392 Franken pro Monat. Das sind 200 Franken mehr, als der Gesamtarbeitsvertrag vorschreibt.

Die Annahme, beim Bund würde das Putzpersonal automatisch den Maximallohn erreichen, während in der Privatwirtschaft nie mehr als der Minimallohn bezahlt werden, ist eine reine Spekulation.

In diesem Geiste ist der ganze Artikel geschrieben: Es werden maximale Bezüge der jeweils höchsten Lohnklassen aufgelistet – mit denen dann alle LeserInnen ihren Lohn vergleichen und sagen können: »Wer bei KMUs arbeitet, verdient schon deutlich schlechter.«

Der VPOD schreibt hingegen in einer Medienmitteilung (pdf):

Während in der Schweiz verglichen mit 1991 insgesamt die Löhne real um 7 % angestiegen sind, erhielt das Bundespersonal gleichzeitig nur etwa 3 %. Wegen wiederholter Bundessparprogramme müssen immer weniger Angestellte immer mehr Arbeit leisten. Der Arbeitsstress wächst und die Wertschätzung nimmt ab.

So auch Peter Stämpfli auf Twitter:

Interessant wären im Anschluss daran zwei Punkte:

  1. Dass KMUs ihre Lohntabellen veröffentlichen und so die Transparenz herstellen, die beim Bund seit Jahren Standard ist.
  2. Saubere Vergleiche angestellt werden, welche in Bezug auf Qualifikationen, Arbeitserfahrung, Alter, Arbeitsbedinungen und Arbeitsorten übereinstimmen.

So betreibt Tamedia letztlich auf eine perfide Art und Weise Stimmungsmache gegen Bundesangestellte – und damit generell Stimmungsmache gegen die Anliegen von ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaften.

Wünschenswert wäre aber Transparenz in Bezug auf Löhne. Sprechen wir darüber – erzählen wir Freunden und Bekannten, wie viel wir verdienen, was wir dafür tun müssen – und fragen im Gegenzug auch, wie viel sie denn verdienen…

Nachtrag: Der Beobachter bietet einen Lohnrechner an, mit dem man den eigenen Lohn mit den Daten von über 100’000 anderen SchweizerInnen vergleichen kann. Anonym…

Lohntransparenz – eine Idee: »wear your salary to work day« 

Ich erachte Lohnintransparenz als ein gewerkschaftliches Problem, mit dem eine Reihe von Problemen verbunden sind. Ganz allgemein formuliert sind es zwei:

  1. Menschen werden für Arbeit so schlecht bezahlt, dass sie von dieser – oft harten und unattraktiven – Arbeit kaum leben können.
  2. Menschen werden für die gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt.

Für das Problem hätte ich einen Lösungsvorschlag: Alle Angestellten sollten an einem Tag im Monat (oder in der Woche) ihren Jahreslohn (oder vielleicht ihren Stundenlohn) als Aufdruck auf ihrer Kleidung tragen, wenn sie zur Arbeit erscheinen. So wüssten zumindest Mitarbeitende und KundInnen, wie viel Lohn diese Menschen verdienen.

Update: Hier die entsprechende FB-Gruppe: Wear Your Salary.

Transparenz: Löhne, Wikileaks und Google Trends

Transparenz halte ich grundsätzlich für wertvoll. Egal wie man etwas macht – man soll darlegen, wie man es macht, damit andere es nachvollziehen können.

Generell in Bezug auf Löhne: Nehmen wir als Beispiel einen Fussballverein. Der handelt mit jedem Spieler und seinem Agenten in zähen Verhandlungen Löhne, Prämien etc. aus – und zwar geheim. Warum ändert ein Verein nicht diese Politik und sagt: Wir bezahlen für Anforderungsprofil A 250k p.a. plus diese Prämien, für Anforderungsprofil B 150k und für Anforderungsprofil C 80k. Wer will bei uns spielen?

Genau so könnten auch Firmen operieren – die öffentliche Hand tut das bei ehemaligen Beamten (z.B. Lehrpersonen) auch. Wenn ich es richtig verstehe, ist der Grund, warum Löhne in Firmen nicht transparent gemacht werden, der, dass man dadurch auf Marktschwankungen reagieren kann. Sind Arbeitskräfte gesucht, so können kurzfristig höhere Löhne bezahlt werden, sind Arbeitsplätze gesucht, können tiefere Löhne vereinbart werden. Wären die Löhne transparent, würden alle für gleiche Anforderungen gleich hohe Löhne fordern – was aber ja eigentlich gerecht wäre, oder? (Nebenbei könnte man dasProblem lösen, dass Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden.)

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Die Veröffentlichung verschiedenster Dokumente durch Wikileaks, welche die letzte Woche medienwirksam inszeniert worden ist (exemplarisch sei die Präsentation durch den Guardian genannt), stellt nun aber die Frage (natürlich gibt es viele andere Vorfälle, welche diese Frage ebenfalls aufwerfen, z.B. die neueste Fichenaffäre):

Kann/soll es in einer Demokratie Dokumente geben, welche von der Öffentlichkeit nicht eingesehen werden können oder dürfen? Und was wäre ein Kriterium dafür?

Wenn ich die Frage brainstorme, fallen mir folgende Aspekte ein:

  • Transparenz kann innerhalb einer Gruppe herrschen, welche die Öffentlichkeit vertritt – e.g. innerhalb einem gewählten Parlament, dass stellvertretend für die Bevölkerung sicherstellt, dass alles mit rechten Dingen zu und her geht.
  • Einsehbar müssen Dokumente sein, die meine persönlichen Daten beinhalten (Strafregister, Betreibungsauszug, Krankenakten etc.).
  • Wenn man ein Kriterium festlegt (e. g. »nationale Sicherheit«), dann kann dieses Kriterium dazu benutzt werden, um Dokumente geheim zu halten, die nicht geheim gehalten werden sollten.
  • Man würde in jedem Fall eine Meta-Transparenz erwarten: Dass klar gemacht wird, in welchem Fall wie Transparenz verhindert wird in einem demokratischen Staatsgefüge.

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Google Trends scheint nun aber ein Problem gerade durch die Transparenz zu verursachen: So genannte Content-Farms (Link via Fefe) erstellen »Content«, also Texte, die nur deshalb geschrieben werden, um bei Google-Suchanfragen häufig gefunden zu werden (»How to Massage a Dog That Is Emotionally Stressed«) – ohne dass die VerfasserInnen eine Ahnung vom Thema hätten oder auch nur anstrebten, einen guten Text zu schreiben. So also vermüllt Google das Netz – indem es nicht mehr Inhalte absucht, sondern die Erstellung von sinnlosen Inhalten provoziert, weil die gefundenen Texte mit Werbung zu Geld gemacht werden können, ebenfalls über Google.

Würde Google keine Trends publizieren, könnte man nicht darauf reagieren und sie fürs Werbegeschäft ausnutzen…

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Ich schließe. Ein Fazit fällt mir nicht ein – außer dass die Dinge immer etwas komplizierter sind, als man denken könnte. Und als man es sich wünschen würde.