Das Hakeem Olajuwon-Problem – oder warum man Frauen wählen sollte

Hakeem Olajuwon war ein ausgezeichneter Basketball-Spieler in der NBA. Bill Simmons, ein Sportreporter in den USA, hält ihn für den 11. besten Spieler aller Zeiten. In seinem Buch »The Book of Basketball« fragt er sich in einem Gedankenexperiment, wie groß die Chancen waren, dass Olajuwon ein Star wird:

  1. Er wuchs in Nigeria auf, wo alle Jugendlichen und Kinder Fussball spielen. Er dachte nie daran, Basketball zu spielen und träumte von einer Karriere als Fussballer.
  2. In der Pubertät wächst er enorm.
  3. Ein Lehrer weist ihn darauf hin, dass er Basketball spielen könnte.
  4. Er tut das, reist in die USA, wird an einem College aufgenommen und lernt alles, was man lernen muss.
  5. Im Sommer trainierte er mit dem arrivierten NBA-Star Moses Malone, der in der Nähe wohnte.
  6. Er wird von einem NBA-Team gedraftet.
  7. Sein Körper entwickelt sich weiter.

Man kann sich vorstellen: Die Wahrscheinlichkeit, dass das so ein zweites Mal passiert, ist ziemlich klein. Simmons rechnet nicht einmal mehr mit. Das Beispiel zeigt aber auch, dass es wohl in Nigeria und vielen anderen Ländern hochtalentierte Basketballspieler und -spielerinnen gibt, die nie Basketball spielen.

Wenn man die Frage verallgemeinert, so geht es um folgendes Problem: Wie schafft es eine Gesellschaft, dass die wichtigen beruflichen Funktionen von den Menschen ausgeübt werden, die dafür am besten geeignet sind? Dass z.B. in der Schweiz die besten Fussballspieler in der Nationalmannschaft enden, ist recht wahrscheinlich. Nicht ganz sicher, aber wahrscheinlich. Wie wahrscheinlich ist es nun, dass die besten Ärztinnen und Ärzte diesen Beruf ergreifen? Oder die besten Lehrerinnen und Lehrer? Oder die besten Politikerinnen und Politiker?

Wenn nun auf nationaler Ebene Frauen nur mit einem Anteil von rund 30% halbberuflich Politik betreiben, dann kann man sich fragen, ob das Politik-Talent tatsächlich nicht gleich verteilt wird. Wäre das so, gäbe es dafür nur einen möglichen Grund: Die Biologie.

Ich halte diese Erklärung aber für unwahrscheinlich. Frauen können praktisch alle Aufgaben, die nichts mit körperlicher Kraft zu tun haben, gleich gut ausüben wie Männer. Also hieße das, dass es viele Frauen mit Politik-Talent gibt, welche nicht gewählt werden – während es einige Männer mit weniger Politik-Talent gibt, die gewählt werden.

Das ist nun der entscheidende Grund, weshalb Frauen gewählt werden sollen. Es braucht nicht viel Scharfsinn um diesem Aufruf entgegenzuhalten, dass er ja gerade die sinnlose Geschlechterzuordnung repliziere, dass der ideale Zustand ja der wäre, in dem nicht nach Geschlecht gewählt würde. Das Problem dabei ist, dass es den idealen Zustand erst gibt, wenn Frauen in Bezug auf politische Karriere dieselben Möglichkeiten haben wie Männer.

Dies ist aber heute nicht so. Die »Kinderlobby Schweiz« bringt z.B. zwei Jugendliche als Lobbyisten ins Bundeshaus. Zwei Männer, notabene. Auf meine Nachfrage meinte Daniel Goldberg, der Verantwortliche:

Wir hatten bewusst sowohl nach einer weiblichen als als auch einer männlichen Vertretung gesucht und auch ausgeschrieben. Aber wie es so oft in der Politik passiert – 1. die jungen Frauen, die wir angefragt hatten, hatten kein Interesse für politisches Engagement 2. hatten wir leider keine weiblichen Bewerberinnen, die als Kinderlobbyistinnen aktiv werden wollten.

Wenn wir eine Liste machen, was es alles braucht, um als Politikerin oder Politiker in Erscheinung treten zu wollen, wäre sie ungefähr so lang wie die oben. Und vor Wahlen geht es eben darum, ob man »Interesse für politische Engagements« hat und sich auf Aufrufe meldet. Das tut man dann, wenn man darauf vorbereitet worden ist, wenn man in seiner Peer-Group und in seiner Familie dafür Anerkennung erhält etc. Hier liegt meines Erachtens das Problem: Wir lassen es zu, dass sich Frauen zu wenig um Politik kümmern und geben so vielen Talenten die Chance nicht, mitzuwirken und sich einzubringen.

Wählt man nun Frauen, so sendet man ein Signal: Es wird attraktiv für Parteien, mehr Frauen aufzustellen, sie beginnen, Frauen zu rekrutieren und sich zu überlegen, unter welchen Umständen sich Frauen für Politik interessieren könnten. Es wird zudem selbstverständlich, dass politische Geschäfte gleich oft von Frauen wie von Männern betreut werden etc.