Was meint »antidemokratisch«?

Duden.de, Schlagwort »antidemokratisch«

Wie der Begriff der Demokratie, so ist der Vorwurf, jemand handle »antidemokratisch«, zu einem Schlagwort geworden. Gestern habe ich Regula Stämpfli unter anderem mit den Worten zitiert:

Wer die Sprache zugunsten von Zahlen aus der Demokratie streicht, handelt antidemokratisch.

Im einfachsten Sinne (Duden) handelt jemand antidemokratisch, wenn er oder sie sich gegen die Demokratie richtet.

Man kann das nun generell tun und sich gegen die Demokratie als System richtigen. Julie Zeh schrieb dazu in ihrem Essay Supranationales Glänzen (in: Alles auf dem Rasen: Kein Roman, S. 167):

Die Begründung für die Alternativlosigkeit der Demokratie kam nie über die Bemerkung hinaus, dass Demokratie die schlechteste unter aller Staatsformen sei – abgesehen von sämtlichen anderen. Trotz nachlassenden Interesses der Bürger an der Politik wagte niemand den Gedanken, dass die Demokratie sich überlebt habe, dass die Politikverdrossenheit kein vorübergehendes Phänomen, sondern ein Zeichen dafür sei, dass der Wille aufhörte, vom Volke auszugehen.

Dieses Zitat könnte man in einem allgemeinen Sinne als antidemokratisch bezeichnen – indem bestritten wird, ihre Grundlagen seien weder gut begründet noch unveränderlich.

Betrachtet man die Definition moderner Demokratien etwas genauer, kann der Begriff »antidemokratisch« differenziert werden. Zu einer Demokratie gehören folgende Elemente – wenn man die Theorie etwas vereinfacht:

  • legitimierte Entscheidungsfindungsprozedur für politische Normen (z.B. Gesetze)
  • Garantie der Grundrechte jedes Einzelnen gegenüber dem Staat, gegenüber gesellschaftlichen Gruppen (insbesondere religiösen Gemeinschaften) und gegenüber anderen Einzelpersonen
  • Gewaltenteilung zwischen den Staatsorganen Regierung [Exekutive], Parlament [Legislative] und Gerichten [Judikative]
  • allgemeines und gleiches Wahlrecht
  • Meinungs- und Pressefreiheit
  • Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit

Damit ist nun z.B. eine Definition von »antidemokratisch« möglich, welche Autonome einschließt, die eine Demonstration von AbtreibungsgegnerInnen stört (vgl. den Blogpost von Andreas von Gunten dazu) – weil die sich gegen die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit richten.

Oder man könnte die Verhinderung des Stimm- und Wahlrechtes für AusländerInnen als antidemokratisch bezeichnen, weil dadurch verunmöglicht wird, dass dieses Recht allgemein und gleich ist (vgl. dazu verschiedene Artikel in der NZZ).

Damit ist aber noch nicht bestimmt, was Stämpfli mit dem Begriff meint, wenn sie sagt, das Ersetzen von »Sprache« durch »Zahlen« sei eine antidemokratische Handlung. Es ist davon auszugehen, dass sie damit einen etwas engeren Entscheidungsfindungsprozess meint: Dieser basiert idealerweise auf dem, was Jürgen Habermas einen »herrschaftsfreien Diskurs« genannt hat. Er ist bestimmt durch »de[n] zwanglose[n] Zwang des besseren Arguments und das Motiv der kooperativen Wahrheitssuche«. Das heißt: Demokratie findet dann statt, wenn Argumente ausgetauscht werden und gemeinsam nach einer (politischen) Wahrheit gesucht wird. Und das kann nur in einem Gespräch passieren.

In diesem Sinne können auch die Strategie und Organisation der SVP (wie auch verschiedener Wirtschaftsverbände in der Schweiz, Lobbyisten und armeenahe Vereinigungen), die parteiintern und auch im politischen Handeln teilweise versucht, Gespräche und den freien Austausch von Argumenten zu verhindern, als antidemokratisch bezeichnet werden. Urs Widmer bestreitet aus diesen Gründen in der Zeit, dass die SVP eine Partei sei:

Ich halte Herrn Blocher und seine Partei für eine große Gefahr für dieses Land. […] Weil die SVP gar keine Partei ist, sondern eine Nebelmaschine. Der Nebel besteht hauptsächlich aus Kosovaren, die Schweizer aufschlitzen, und aus anderen fremdenfeindlichen Themen. Hinter dem Nebel machen aber einige, die selber sehr reich sind – Herr Blocher allen voran –, eine Politik der Reichen. Das ist keine Politik des kleinen Mannes. Diese Vernebelung ist eine gefährliche Sauerei. Es geht um Macht.

Wie bestimmt man die Qualität einer Demokratie?

Die Schweiz ist nicht wie erwartet die Demokratie par excellence, sondern nur Mittelmass.

So beginnt die Studie der Universität Zürich, in der die Demokratiequalität von 29 etablierten Demokratien verglichen wurde.

Die sofort einsetzende, populistische Kritik an der Studie bezieht ihre Kraft aus der Erwartung: Weil man immer geglaubt hat, die Schweiz sei eine Vorzeigedemokratie, kann eine Studie, welche diesem Glauben nicht gerecht wird, nicht korrekt sein.

Verlässt man diese wenig produktive Ebene, so muss man sich fragen, was denn die Qualität einer Demokratie ausmacht. Die Stärken der Schweiz sind, so die Studie »individueller Freiheiten, aktive Öffentlichkeit, Wettbewerb und Regierungsfähigkeit«, während sie Mängel in den Bereiche »Gewaltenkontrolle, Transparenz und Partizipation« aufweist. Und weiter:

Ein grosser Teil der Schweizerinnen und Schweizer beteiligt sich nicht an der Politik. Diejenigen aber, die sich politisch beteiligen, sind vor allem die Gebildeten, Wohlhabenden, Älteren und überproportional Männer. Vom Ideal einer Demokratie politisch Gleicher, in der alle Bürgerinnen und Bürger sich politisch engagieren und deren Interessen und Werte gleichmässig in die politische Arena gelangen, ist die Schweiz weiter als die meisten anderen Demokratien entfernt.

Wer Mühe hat zu glauben, dass es in der Schweiz dem Ideal der Demokratie zuwiderlaufende Tendenzen gibt, kann sich leicht zwei Punkte vor Augen halten, die diese Tendenzen verdeutlichen:

  1. Die Diskussion um die Verträglichkeit von per Initiative vorgebrachter Anliegen mit der Verfassung bzw. internationalen Verträgen. Auch wenn die rechtskonservative Rhetorik immer wieder Mittel findet, diese Diskussion als obsolet hinzustellen, so besteht doch grundsätzlich das Problem, dass ein Volksentscheid einem anderen Volksentscheid widersprechen kann (oder der Verfassung oder im demokratischen Prozess legitimierten Verträgen). Diese Widersprüche müssen aufgelöst werden können, soll eine Demokratie funktionieren.
  2. Demokratie bedeutet, dass die von Entscheiden betroffenen Menschen diese Entscheide selber fällen können. Sobald man in der Schule mit der Geschichte der Demokratie konfrontiert wird, lernt man heute, dass im antiken Griechenland zwar die Idee der Demokratie entstanden ist, nicht aber umgesetzt worden sind, weil beispielsweise Sklaven und Frauen von den politischen Prozessen ausgeschlossen worden sind. Die Schweiz hat diesbezüglich eine lange Tradition: Frauen werden zwar heute nicht mehr ausgeschlossen, dafür alle AusländerInnen. Man muss das wiederholen wie ein Mantra: AusländerInnen müssen zwar wie alle anderen in der Schweiz lebenden Menschen für jeden Kreisel bezahlen, dürfen aber nicht bestimmen, ob er gebaut wird oder nicht.

Postdemokratie

Da zum Wahljahr 2011 schon fast alle Prognosen gemacht sind und wir wissen, dass alle Parteien außer der SVP verlieren werden und dass insbesondere die SP auch 2011 geprügelt werden kann, weil sie keine Mittepartei sein will, was sich der Politjournalismus offenbar sehnlichst wünscht – da lohnt es sich vielleicht, sich ein Konzept in Erinnerung zu rufen, von dem man (wie ich) vielleicht schon mal gehört hat, es aber zurück in den mentalen Theorieschrank gestellt haben könnte (wie ich).

Es handelt sich um Colin Crouchs Begriff der Postdemokratie (Bonn, 2008; im Original 2004; empfehlenswert ist die Lektüre dieses Interviews in der taz). Er bezeichnet damit

ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden […], in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, daß sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben. (S. 10)

Postdemokratie ist immer noch ein demokratischer Zustand, so Crouch – in dem aber die Demokratie nicht viel mehr als Schein ist. Während es so aussieht, als führten demokratische Prozesse zu Entscheidungen, sind für diese Entscheidungen eine schmale Elite von UnternehmerInnen und Lobbyisten verantwortlich.

Zu diesem Schein trägt die Organisation der Medien bei, die ebenfalls wenige Menschen kontrollieren.

Eine Postdemokratie sieht klassenlos aus, ist es aber nicht: »unter dem Deckmantel der Rhetorik der Marktwirtschaft und des freien Wettbewerbs« genießen UnternehmerInnen politische Privilegien. Zudem sind Reichtumsunterschiede für neue Formen von Klassen verantwortlich, welche aber nach dem Zerfall der Arbeiterklasse kaum mehr sichtbar gemacht werden können. (Ein schönes Beispiel dafür ist wohl der Steuerwettbewerb in der Schweiz, zusammen mit der Pauschalbesteuerung läuft er nur auf Privilegien für besonders reiche Menschen heraus, was aber mit Argumenten wie »Föderalismus« und in Abstimmungen als eine Eigenschaft einer funktionierenden Demokratie verkauft wird.)

Ein Zeit-Artikel bringt Crouchs Werk wie folgt auf den Punkt:

[A]lle große Parteien [haben] nur noch ein Programm, nämlich die »Anpassung« an den Sachzwang der Wirtschaft. Sie zersägen den Wohlfahrtsstaat, kürzen lebhaft Sozialleistungen, senken Unternehmenssteuern und gern auch die Löhne.

Crouch entwirft drei mögliche Auswege aus den Problemen einer Postdemokratie (er behauptet nicht, dass wir uns schon in diesem Zustand befänden, sondern dass sich Demokratien generell diesem Zustand annäherten):

  1. Wachsende Dominanz ökonomischer Eliten einschränken.
  2. Reformen der politischen Praxis.
  3. Handlungsmöglichkeiten für BürgerInnen.

Dabei (3.) warnt Crouch vor extremistischen Bewegungen von »WutbürgerInnen« – gerade darum geht es ihm nicht; sondern beispielsweise um die Möglichkeiten des Internets, wie dieser Webkompetenz-Post aufzeigt.

Martin Lindner präzisiert denn auch:

http://twitter.com/#!/martinlindner/status/22015551551315970

Um die Schweiz aufzugreifen (aus gesamteuropäischer Perspektive würde die Schweiz allerdings wohl als die am wenigsten post-demokratische Nation gelten), müsste man 1. – 3. ungefähr so konkretisieren:

  1. a) Klare Beibehaltung von progressiver Besteuerung und Einschränkung des Steuerwettbewerbs.
    b) Staatliche Parteienfinanzierung, Spenden von Privaten und Unternehmern verbieten.
    c) Klarere Trennung von Politik und Wirtschaft in Bezug auf Verwaltungsratsmandate etc.
  2. a) Verfassungsgerichtsbarkeit.
    b) Durch 1.b) herbeigeführte Reduktion der Mittel für Propaganda und Marketing der Parteien.
    c) …
  3. Wohl der schwierigste Punkt: Ich sehe vor allem auch im Internet und den Möglichkeiten, sich auf verschiedenen Plattformen (Vimentis, Politnetz etc.) zu informieren, ohne in diesem Diskurs durch wirtschaftliche Faktoren oder Parteienpolitik eingeschränkt zu werden, eine Möglichkeit.

Um weitere Ideen wird gebeten…

* * *

Und um den Teufel noch an die Wand gemalt zu bekommen:

Wir hätten es anders wollen müssen. Wenn Europa in einen neuen Faschismus marschiert, können sich die Bürger das selbst zugute halten. Sicher, es werden andere Schuldige gefunden werden, die üblichen Verdächtigen: Moslems, Zigeuner, Kommunisten. Die Feindbilder werden täglich von den Medien und aus den autoritären Regierungsbunkern genährt. Das ist jederzeit abrufbar.

Verbot von politischer Werbung – abschließende Gedanken

Auch auf meinen letzten Post, in dem ich kurz begründet habe, weshalb ich ein Verbot von politischer Werbung bedenkenswert finde, habe ich interessante Rückmeldungen erhalten, auf die ich kurz eingehen möchte.

1.

Zunächst: Die beiden Rückmeldungen haben mich davon überzeugt, dass so ein Verbot mindestens problematisch wäre, gerade weil es eine Reihe von Auslegungsfragen mit sich bringen könnte, welche einerseits dazu geeignet wären, die freie Meinungsäußerung zu tangieren, andererseits ein politisches Instrument zur Benachteiligung bestimmter politischer Interessen werden könnte.

2.

David schreibt:

Die Manipulierbarkeit der Menschen kann man nicht durch Werbeverbote bekämpfen, sondern nur durch Bildung. Auch widerspricht ein Werbeverbot hochgradig meinem Menschenbild. Man muss erwachsenen Menschen zutrauen, sich selber eine Meinung bilden zu können, und sie nicht bevormunden.

Ich kann dazu nur sagen: So denke ich auch. Und dann erinnere ich mich an all diese Plakate, mit denen der öffentliche Grund in der Schweiz wie in keinem anderen Land zugepflastert ist, an die Zuspitzungen, Verdrehungen, Verfälschungen, Suggestionen die auf diesen Plakaten verbreitet werde – und bin mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich wirklich erwachsenen Menschen zutrauen, dagegen immun zu sein. Wie viele Menschen sind in der Lage abzuschätzen, dass ein verurteilter Vergewaltiger nicht in der Schweiz eingebürgert werden kann? Wie viele können nachrechnen, ob die Steuergerechtigkeitsinitiative für sie eine Mehr- oder Minderbelastung bedeuten würde?

Und doch: All diese Probleme betreffen nicht nur Werbung, sondern jede Form von politischem Diskurs. Und Demokratie bedeutet, in die Urteilsfähigkeit aller Stimmberechtigten zu vertrauen.

3.

David fragt im gleichen Kommentar:

Dann definiere bitte mal, was hiervon du verbieten möchtest:

– Plakatwerbung auf öffentlichem Grund
– Plakatwerbung auf privaten Grund
– Zeitungsinserate
– Flyer in Briefkasten
– Flyer auf der Strasse
– Standaktionen
– Podiumsdiskussionen
– Demonstrationen mit Spruchbändern

und inhaltlich:
– Werbung mit Abstimmungsparolen
– Werbung für Kandidaten/Wahllisten
– Sensibilisierung (z.B. von Umweltschutzverbänden, Behindertenverbänden)
– Werbung für Anlässe (Demoaufrufe, Podiumsdiskussionen, …)

Und nun spiele alle möglichen Kombinationen von Form und Inhalt durch und sage mir, was erlaubt sein soll und was nicht.

Ich hätte das so formuliert: Es ist nicht erlaubt, politische Inhalte mit einem direkten oder indirekten Bezug auf Wahlen, Abstimmungen oder Parteien gegen Bezahlung zu publizieren oder zu verbreiten.

D.h. in Bezug auf die Beispiele: Flyer verteilen ist dann okay, wenn kein Geld fließt, sondern alle Beteiligten das aus Überzeugung machen; Werbung für Anlässe wäre okay, wenn sie nicht mit einer Partei oder einer Parole verbunden sind. Wie schon erwähnt: Mit so einem Verbot wäre viel Auslegungsarbeit verbunden.

4.

David schlägt als Alternative zum Werbeverbot eine staatliche Parteienfinanzierung vor (das hieße wohl, Parteien dürfen sich nur über einen staatlichen Beitrag finanzieren und keine weiteren Zuwendungen erhalten?). Dagegen ist nichts einzuwenden – mit dem letzten Absatz wollte ich sagen:

  1. Es gibt mehrere Methoden, um das unangenehme Problem zu lösen, das finanziell besser situierte Menschen/Unternehmungen politisch mehr Einfluss genießen als andere.
    a) Transparenz bei der Parteienfinanzierung.
    b) Beschränkungen bei der Parteienfinanzierung.
    c) Staatliche Finanzierung der Parteien
    d) fixe Werbepools (z.B. Plakatwände auf öffentlichem Grund und TV-Spots) werden Parteien bei Wahlen und Interessensgruppen bei Abstimmungen zugeteilt.
  2. Ein weiteres Problem ist die individuelle Ebene von MandatsträgerInnen. Lobbying kann nicht verboten werden – aber es ist eines demokratischen Staates unwürdig, dass ParlamentarierInnen finanziell direkt von Unternehmungen und Interessensgruppen abhängig sind.

Fazit

Ein Problem, das wohl eleganter gelöst werden könnte, als ich es vorschlage – aber ein drängendes Problem, welches die politische Landschaft der Schweiz stark beeinflusst und nachhaltig schädigt.

Die »Gratiskultur« – erste Resultate von Kurt Imhofs Forschergruppe

Kurt Imhof hat Mittel gesucht, um mit einer Forschergruppe die Schweizer Medienlandschaft unter die Lupe zu nehmen. Er kommt zu folgenden Befunden:
  • In allen Mediengattungen wächst das Angebot an Klatsch bzw. an Softnews, welche die klassischen publizistischen Kernthemen Politik, Wirtschaft und Kultur zurückdrängen.
  • Die Nachhaltigkeit der Berichterstattung lässt nach. Episodische, auf Personen, Konflikte und Katastrophen zugespitzte Informationen nehmen zu.
  • Obwohl die Welt zusammenwächst, schotten sich die Medien ab, indem sie die Auslandberichterstattung stark abbauten.
  • Die Wirtschaftsinformation bleibt mangelhaft.
  • Der Erfolg der Gratiszeitungen und die Gratisangebote im Internet senkten unter den Konsumenten das Bewusstsein dafür, dass Informationsqualität etwas kostet.
  • Die Einbruch bei den Werbeeinnahmen erschwert die Finanzierung der redaktionellen Leistungen.
  • Die Bedeutung derjenigen Medientitel, die wenig zur Informationsqualität beitragen, wird weiter wachsen.
  • Der recherchierende, einordnende Journalismus gerät weiter unter Druck.
  • Auch die Presse orientiert sich vermehrt an den Unterhaltungsbedürfnissen der Medienkonsumenten.

Bezeichnenderweise wurde diese wissenschaftliche Untersuchung von rechter Seite schon torpediert, bevor sie Resultate vorgelegt hat. Dafür gibt es gute Gründe: Rechtspopulistische Politik profitiert davon, dass Medien episodisch, isoliert und billig arbeiten – da ihr langfristiges Ziel gerade die Gefährdung des »Funktionieren der Demokratie« (Imhof) ist.

Die Ursachen liegen für die Forschergruppe in der »Gratiskultur« – sprich in der Tatsache, dass in einem traditionellen Modell die Werbung die Redaktionen finanziert hat und die AbonnentInnen oder KäuferInnen einer Zeitung lediglich für die Druck- und Vertriebskosten aufkommen mussten. Da nun der Werbemarkt eingebrochen ist, reicht das Geld nicht mehr für die Finanzierung von qualitativ hoch stehend arbeitenden Redaktionen.

Eine Konsequenz wäre die der NZZ:

«Wir müssen für hochwertige Inhalte Geld verlangen», sagt Peter Hogenkamp; er ist neuer Leiter Digitale Medien beim Verlagshaus. «Sonst können wir künftig die Redaktionen nicht finanzieren.»

Hogenkamp will also die LeserInnen an den redaktionellen Kosten beteiligen – sprich: Man müsste als LeserIn für das gleiche wie früher neu mehr bezahlen, weil eine andere Einnahmequelle versiegte.

Ich überlege schon seit längerem, ob es einen vergleichbaren Fall gibt, in dem KonsumentInnen bereit waren, für ein Produkt mehr zu bezahlen, weil jemand anderes es nicht mehr im gleichen Ausmass finanziert hat.

Andererseits kann man auch einen anderen Blickwinkel wählen: Die digitale KonsumentIn finanziert zwar »Druck« und Vertrieb (indem sie ein Endgerät kauft und den Datentransfer zumindest teilweise bezahlt), könnte aber gerade gleich viel wie bisher bezahlen – weil er/sie ja auch gleich viel erhält auf dem Netz.

Die Kritik am Vorgehen der NZZ wurde von Marcel Weiss auf Netzwertig.com schon detailliert formuliert. Sie lässt offen, welche Alternativen bestehen. M.E. sind es nur zwei:

  1. Der Staat ermöglicht eine funktionierende (und die Demokratie ermöglichende) Medienlandschaft, indem er beispielsweise mit Billag-Gebühren (die als umfassende »Medien-Steuer« erhoben würden«) eine nachhaltig operierende, politisch neutrale Nachrichtenagentur aufbaut, die starke Wirtschafts- und Auslandredaktionen hat. Diese Agentur würde Tageszeitungen, Onlineportale und audiovisuelle Medien gleichermassen und gratis bedienen. (Die Unterstützung für das Schweizer Fernsehen viele weg – diese Unterstützung mutet in Zeiten von Medienkonvergenz ohnehin anachronistisch an.)
  2. Der Online-Werbemarkt legt zu und ermöglicht dank neuer Modelle eine ähnliche Finanzierung wie sie bisher möglich war. Wenn Werbung bisher meine Zeitung finanziert hat – warum sollte sie es in Zukunft nicht mehr tun?
    (Hier gibt es dann wohl das Problem, dass Internetwerbung ihre Wirksamkeit zu gut messen kann – und so günstiger verkauft werden muss als Printwerbung.)

Transparenz: Löhne, Wikileaks und Google Trends

Transparenz halte ich grundsätzlich für wertvoll. Egal wie man etwas macht – man soll darlegen, wie man es macht, damit andere es nachvollziehen können.

Generell in Bezug auf Löhne: Nehmen wir als Beispiel einen Fussballverein. Der handelt mit jedem Spieler und seinem Agenten in zähen Verhandlungen Löhne, Prämien etc. aus – und zwar geheim. Warum ändert ein Verein nicht diese Politik und sagt: Wir bezahlen für Anforderungsprofil A 250k p.a. plus diese Prämien, für Anforderungsprofil B 150k und für Anforderungsprofil C 80k. Wer will bei uns spielen?

Genau so könnten auch Firmen operieren – die öffentliche Hand tut das bei ehemaligen Beamten (z.B. Lehrpersonen) auch. Wenn ich es richtig verstehe, ist der Grund, warum Löhne in Firmen nicht transparent gemacht werden, der, dass man dadurch auf Marktschwankungen reagieren kann. Sind Arbeitskräfte gesucht, so können kurzfristig höhere Löhne bezahlt werden, sind Arbeitsplätze gesucht, können tiefere Löhne vereinbart werden. Wären die Löhne transparent, würden alle für gleiche Anforderungen gleich hohe Löhne fordern – was aber ja eigentlich gerecht wäre, oder? (Nebenbei könnte man dasProblem lösen, dass Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden.)

* * *

Die Veröffentlichung verschiedenster Dokumente durch Wikileaks, welche die letzte Woche medienwirksam inszeniert worden ist (exemplarisch sei die Präsentation durch den Guardian genannt), stellt nun aber die Frage (natürlich gibt es viele andere Vorfälle, welche diese Frage ebenfalls aufwerfen, z.B. die neueste Fichenaffäre):

Kann/soll es in einer Demokratie Dokumente geben, welche von der Öffentlichkeit nicht eingesehen werden können oder dürfen? Und was wäre ein Kriterium dafür?

Wenn ich die Frage brainstorme, fallen mir folgende Aspekte ein:

  • Transparenz kann innerhalb einer Gruppe herrschen, welche die Öffentlichkeit vertritt – e.g. innerhalb einem gewählten Parlament, dass stellvertretend für die Bevölkerung sicherstellt, dass alles mit rechten Dingen zu und her geht.
  • Einsehbar müssen Dokumente sein, die meine persönlichen Daten beinhalten (Strafregister, Betreibungsauszug, Krankenakten etc.).
  • Wenn man ein Kriterium festlegt (e. g. »nationale Sicherheit«), dann kann dieses Kriterium dazu benutzt werden, um Dokumente geheim zu halten, die nicht geheim gehalten werden sollten.
  • Man würde in jedem Fall eine Meta-Transparenz erwarten: Dass klar gemacht wird, in welchem Fall wie Transparenz verhindert wird in einem demokratischen Staatsgefüge.

* * *

Google Trends scheint nun aber ein Problem gerade durch die Transparenz zu verursachen: So genannte Content-Farms (Link via Fefe) erstellen »Content«, also Texte, die nur deshalb geschrieben werden, um bei Google-Suchanfragen häufig gefunden zu werden (»How to Massage a Dog That Is Emotionally Stressed«) – ohne dass die VerfasserInnen eine Ahnung vom Thema hätten oder auch nur anstrebten, einen guten Text zu schreiben. So also vermüllt Google das Netz – indem es nicht mehr Inhalte absucht, sondern die Erstellung von sinnlosen Inhalten provoziert, weil die gefundenen Texte mit Werbung zu Geld gemacht werden können, ebenfalls über Google.

Würde Google keine Trends publizieren, könnte man nicht darauf reagieren und sie fürs Werbegeschäft ausnutzen…

* * *

Ich schließe. Ein Fazit fällt mir nicht ein – außer dass die Dinge immer etwas komplizierter sind, als man denken könnte. Und als man es sich wünschen würde.

Die Freiheit, die wer meint? – über links und rechts oder über rasierte Beine und Burkas

Es gibt zwei gängige Vorurteile gegenüber »Linken« (die generell in einer Art Ideologiehaft genommen werden: »Weil du x findest, bist du konsequenterweise ein Linker, und es gibt einen anderen Linken, der findet y, also findest du auch y, und y geht ja wohl gar nicht…«):

  • sie wollen deshalb einen starken resp. großen Staat, weil sie damit dessen BürgerInnen bevormunden wollen
  • dies ist Teil ihrer generellen Strategie, alles besser als andere zu wissen, und ihnen, also den anderen – ergo – vorschreiben zu wollen, was für sie das beste ist

Dadurch, so die Konsequenz dieser Kritik an »Linken«, sind sie bereit, die Freiheit der BürgerInnen beliebig einzuschränken (je nach Niveau der Diskussion folgt dann der Hinweis auf den Gulag o.Ä.).

Beliebte Beispiele sind dabei das Rauchverbot in Restaurant (mit dem Argument, das Restaurant gehöre schließlich dem Wirt und er dürfe also bestimmen, was er mit seinem Eigentum tun darf, also es beispielsweise berauchen zu lassen) sowie das Verbot von herkömmlichen Glühbirnen (das Argument kann leicht abgewandelt übernommen werden, hier eine gar poetische Eloge auf die Glühbirne aus der NZZ). Dabei, so dann der letzte Vorwurf an die Linke, werden wissenschaftliche Studien herangezogen, die per se zweifelhaft sind, weil

  • Intellektuelle, insbesondere linke Intellektuelle, sagen, was sie sagen, nur deshalb, weil ihnen, das, was sie sagen, etwas nützt – kurz: Intellektuelle, die nicht rechte Haltungen vertreten, sind generell unglaubwürdig und korrupt.

Die sich so gegen eine Linke abgrenzende Rechte hingegen kann leicht zu einem Blick in den Spiegel aufgefordert werden: Zwar möchten sie gerne weiterhin energieineffiziente Glühbirnen brennen lassen und in Restaurants rauchen und sehen in entsprechenden Verboten eine Bedrohung ihrer Freiheit, haben aber ihrerseits kein Problem, Ausländern die Einreise, den Aufenthalt, die Arbeitsgenehmigung oder das Stimm- und Wahlrecht zu verweigern (ohne allerdings ihrerseits entsprechende Verbote in anderen Ländern zu akzeptieren), stimmen gerne mal gegen Parallelimporte und sind auch nicht bereit, den Bauern die Freiheit zu gewähren, den Milchpreis unabhängig vom Staat festzulegen – oder den Konsumenten.

Darüber hinaus haben dann sich selber freiheitlich nennende Kreise kein Problem, Bekleidungs- und Turmverbote zu unterstützen, Leute präventiv oder unwiderruflich einzusperren, den Konsum von Alkohol, den Aufenthalt im Freien und vieles mehr zu verbieten – mit Argumenten, die denen von Bundesrätin Widmer-Schlumpf gleichen:

Die Freiheit einer Burka-Trägerin hört dort auf, wo sich andere dadurch bedrängt oder verunsichert fühlen. [Quelle: Tagi]

Wer auch immer sich durch »andere« bedrängt, verunsichert, bedroht, irritiert fühlt, scheint so einen guten Grund zu haben, die Freiheit dieser Leute radikal einzuschränken.

Es bleiben deshalb im Grunde zwei Gruppierungen übrig, welche einen unbedingten Begriff von Freiheit vertreten: Eine tendenziell anarchistische, welche insbesondere auch die Freiheit fordert, ein Risiko eingehen zu dürfen und können, Lebensräume zu haben, in denen Leben ab- und jenseits von Regeln möglich ist – und eine libertäre, für die Freiheit bedeutet, unbeschränkt über sein Eigentum verfügen und wirtschaftlich aktiv sein zu dürfen. Beide dieser Gruppierungen sind extreme.

Zu wünschen wäre, das Thema gäbe auch für die Mainstream-Politik zu reden – und zwar im Sinne einer positiven Freiheit, bei der nur deshalb über ihre Begrenzungen gesprochen wird, um diese Begrenzungen einzureissen; nicht aber, um diese Begrenzungen zum Anlass zu nehmen, alles Störende und Provozierende an der Freiheit der Menschen – und damit diese Freiheit selbst – eliminieren zu wollen.

Wer auch immer nach Verboten verlangt und gewillt ist, die Freiheit einer bestimmten Gruppe zu beschneiden, sollte sich sehr gut überlegen, ob er bzw. sie auch bereit wäre, sich die eigene Freiheit in ähnlicher Art und Weise beschneiden zu lassen. Wer also die Burka verbieten möchte, könnte sich fragen: Würde ich auch rasierte Beine verbieten wollen? Make-Up? Schuhe mit Absatz?

Und um die Klammer zu schließen, welche am Anfang geöffnet worden ist: Der Vorwurf an die Linke, eine Diktatur ihrer Meinung anzustreben, ist gerade deshalb lächerlich, weil a) jede Diskussion aus dem Austausch von Argumenten besteht, bei denen ein Gesprächspartner jeweils der Ansicht ist, seine seien die besseren, ob links oder recht und weil b) egal welche Meinung die Linke vertreten mag, diese nur dann zu einer verbindlichen Regelung führt, wenn die entsprechenden, demokratisch legitimierten politischen Organe diese Meinung mittragen. Ein weiteres Beispiel, wie manipulativ die populistische Rechte mit dem Konzept der »Demokratie« umgeht.

Die Angst vor der kommenden Diktatur

»Hast du keine Angst, dass wir in 10 Jahren in einer Diktatur leben und den Herrschenden dann deine politischen Ansichten bekannt sind, weil du sie auf dem Internet publizierst?«, wurde ich diese Woche beim Bier gefragt. Die Frage war eine Secondhand-Frage und der Erfinder der Frage muss, so wollen wir annehmen, Züge von Paranoia aufweisen. Dennoch hat mich die Frage nicht losgelassen.

Sie enthält, so denke ich, zwei Komponenten:

  • Ist es denkbar, dass wir (=WesteuropäerInnen) dereinst in einer Diktatur leben?
  • Muss ich mich mit dem Äußern von Ansichten und Einstellungen zurückhalten, weil mir das in der Zukunft schaden könnte?

Die erste Frage ist kaum zu verneinen. Es war in Wien 1910 wohl auch nicht denkbar, dass man einst in einer Diktatur leben würde, und in Budapest wohl noch weniger, dass sich die Diktaturen gleich die Hand reichen werden. Die Massnahmen, die verhindern, dass Demokratien zu Diktaturen werden, verblassen wohl vor den Massnahmen, mit denen Diktatoren bereit sind, Demokratien zu beseitigen. Zudem scheinen wirtschaftliche Interessen für Menschen immer vor politische Freiheit zu kommen – und die Aussicht auf wirtschaftliche Prosperität wird wohl so lange es Menschen gibt einen Anreiz schaffen, Unfreiheit zu ertragen und zu ermöglichen.

Damit wären wir bei der zweiten Frage. Hier ist die Antwort wohl eher nein. Natürlich würden wir denken, eine 15-jährige, die eine eugenische Phase durchlebt, sollte sich zurückhalten, die Abtreibung aller in ihren Augen minderwertigen Lebensformen in einem Blog zu propagieren, wenn sie dereinst eine spannende Stelle finden will. Aber ein erwachsener Mensch, dessen Ansichten sich in einem nicht-extremistischen Spektrum bewegen, der mit sich diskutieren lässt, eine gewisse geistige Flexibilität aufweist – der sollte von seinem Recht, seine Meinung äußern zu dürfen, wohl Gebrauch machen können. Sollte mir das dereinst schaden – dann werde ich dafür die Verantwortung übernehmen müssen.

Die Vorstellung, dass mir aber alles, was ich jetzt tue, schaden könnte (vielleicht verlangt die Diktatur von uns auch, dass wir alle einen Blog betreiben, und setzt drakonische Strafen für all die aus, die sich im Internet zurückhalten), ist dermassen lähmend, dass ich mich ihr momentan noch verweigern muss.

Joe Lang gibt Nachhilfeunterricht

Die Weltwoche gibt Joe Lang die Möglichkeit, »statt hintenrum« die Kritik am Demokratieverständnis der Weltwoche und ihrer Autoren »direkt« zu äußern. Lang nutzt diese Gelegenheit zu einem historisch argumentierten, aufschlussreichen Essay mit dem Titel »Das Volk darf nicht alles«.

Seine zentrale These: Demokratie braucht zwei Standbeine, Volkssouveränität mit Mehrheitsentscheiden dabei das eine, Grundrechte, Gewaltentrennung, Diskriminierungsverbot das andere. Lang schreibt abschließend:

Zwischen der Schwierigkeit, den Souverän für Nichtchristen, Frauen und Zugewanderte zu öffnen, und der Leichtigkeit, Menschen, insbesondere Andersgläubige, zu diskriminieren, gibt es einen engen Zusammenhang. Die Zugehörigkeit zum Souverän war historisch an Voraussetzungen gebunden, die sich mit einem modernen Verständnis von Gleichheit und Freiheit immer weniger vertragen. Es ist gut, dass das demokratische Bein unserer Demokratie, die Volkssouveränität mit ihrer Mehrheitsregel, sehr stark ist. Es ist schlecht, dass ihr liberales Bein, zu dem die Grundrechte, das Gleichheitsgebot, das Diskriminierungsverbot, die Gewaltenteilung, die religiöse Neutralität gehören, viel schwächer ist. Eine moderne Demokratie steht auf zwei gleich starken Beinen. Dabei hat das liberale Bein das Recht, sich notfalls dem demokratischen Bein entgegenzustellen. In einem demokratisch-liberalen Gemeinwesen darf auch der Volkssouverän nicht alles.

Nun könnte man denken, dass der sorgfältig argumentierte Artikel, mit welchem die Weltwoche ihre Einseitigkeit, ihre ideologische Anbiederung an die SVP und die »ich habe nichts gegen Ausländer, aber…«-Menschen dieser Schweiz mit einem Platz für Andersdenke zu kaschieren sucht, Leuten zu denken geben könnte. Die Kommentare auf der Seite lassen aber ein anderes Bild entstehen:

Ernst Frischknecht     17.12.09 10:13
Josef Lang, ich finde seine Kometare absolut daneben, mehr Zeit möchte ich zu dieser Person nicht aufbringen!!!!!!!!C. Christ     17.12.09 09:49
Ihr Linken könnt noch so lange eure Kommentare in diese ehrliche und volksverbundene Zeitung schreiben. WIR, die Nichtlinken werdet Ihr damit genauso wenig herumkriegen wie umgekehrt. Also gebt es auf. Ihr vergesst immer noch, dass ein Grossteil des Volkes nicht blöd ist!

heinz kost     17.12.09 09:05
was dabei herauskommt wenn man „links liberalen“ kräften mehr macht zugesteht hat man in der vergangenheit zur genüge gesehen, als historiker sollte man eigentlich zu besseren schlüssen kommen vor allem wenn man die vergangenheit analysiert

Bernhard Zueger     17.12.09 08:03
Wenn Menschen wie Josef Lang mich vertreten habe ich ein sehr sehr schlechtes Gefühl. Ich mag diesen Ultra-Linken nicht und kann seine Weltanschauung nicht teilen. Leute seines Schlages vertreten die bürgerliche Schweiz und rechtschaffene Leute, die sich redlich und mit Arbeit in der Privatwirtschaft durchsetzen und „am Leben erhalten“ müssen, keineswegs.

Liebe Herren Frischknecht, Christ, Kost, Züger, Gut, Köppel, Engeler: Ich hoffe ich tue Ihnen nicht Unrecht, wenn ich annehme, Sie seien keine Juden, keine Frauen, keine Muslime, seien nicht schwul, kriminell, drogenabhängig, arbeitslos oder psychisch krank. Zudem sind Sie wohl keine Ausländer, wohnen nicht in einem nicht-deutschsprechenden Teil der Schweiz; gehören generell keiner Minderheit an. Und nun kommt der schwere Teil: Stellen Sie sich mal vor, Sie gehörten einen Tag zu einer Minderheit Ihrer Wahl und würden von einer Mehrheit diktiert bekommen, was Sie dürfen bzw. nicht-dürfen. Und dann überlegen Sie sich: Fänden Sie dann ein System, in dem eine Mehrheit über ihre Minderheiten bestimmt, ein gutes System? Und was meint wohl Joe Lang mit dem anderen Bein?

P.S.: Der Kommentator Peter Fritz will von Joe Lang wissen, warum sich nur ein Bein (Rechte) dem anderen (Volkssouveränität) entgegenstellen darf. Und ich antworte an seiner Stelle: Weil »Rechte« niemandem Rechte wegnehmen, sondern sie garantieren, »Souveränität« das »andere Bein« aber nur betrifft, wenn es darum geht, jemanden in seinen Rechten zu diskriminieren.

P.P.S.: Auch eine Frau hat sich bei den Kommentaren zu Wort gemeldet. Wiederum eine argumentative Finesse, welche zur Weltwoche gut passt.

Karin-Maria Schäfer     17.12.09 13:57
Warum gab es in AI so lange kein Frauenstimmrecht? Ganz einfach, weil es die sehr selbstbewussten und wehrhaften Innerrhödlerinnen nicht brauchten, da die Meinung, welche der Mann auf dem Landsgemeindeplatz schlussendlich vertrat, zu Hause gemeinsam beschlossen wurde.
Ansonsten brauchen wir in unserer vernünftigen bürgerlichen Eidgenossenschaft weder Langs noch Schlegels, deren Fähnchen sehr gerne bei den Palästinensern, deren Freunden, den RAFs, und anderen linken Terroristen weht

Nachtrag zum Tag der Menschenrechte

In der NZZ wird der Club Helvétique unter die Lupe genommen:

Dazu zwei Anmerkungen:

  1. Der Schluss ist rührend: Ich stelle mir den armen Roger Köppel vor, wie er beim Central leicht fröstelnd Unterschriften für die Ausschaffungsinitiative sammelt und sich so auf die heiße Schoggi im Sprüngli freut…
  2. Toni Brunner spricht von einem Konflikt zwischen „Volks- und Menschenrechten“. Er präsentiert das Thema, als führe eine Stärkung der Menschenrechte zu einer Schwächung der Rechte der Menschen in der Schweiz. Tatsächlich besteht „das Volk“ erstaunlicherweise auch aus Menschen, die von Menschenrechten profitieren, sie aber niemandem mehr absprechen darf. Wer aber auf demokratischem Weg anderen Menschen Menschenrechte wegnehmen will, verdient es nicht, sich in der NZZ über Demokratie auszulassen – weil er offenbar nicht versteht, welche Gefahren ein „Volksabsolutismus“ mit sich bringt.